Auszug aus einem Konsensuspapier der Österr. Ärztekammer zum Thema:
"Elektromagnetische Felder (EMF)" März 2012


"Unspezifische - oft stressassoziierte - Beschwerden nehmen heute stark zu. Neben chronischem Stress im Sozial- u. Arbeitsumfeld, ist die Zunahme der Elektrosmogbelastung in Haushalt, Arbeit und Freizeit eine bisher wenig beachtete Ursache. Dies korreliert mit dem Bild von chronischer Überlastung bis zum Burnout.

Die Österr. Ärztekammer hat eine Leitlinie für Differentialdiagnostik und Therapieansätze bei sog. unspezifischen, stressbezogenen Beschwerden durch Elektrosmog entwickelt. Kernelement ist ein Patientenfragebogen bestehend aus einer allgemeinen Erhebung von Stresssymptomen, sowie einer spezifischen Erfassung der Elektrosmogexposition. Diese Leitlinie soll eine Hilfe bei der Abklärung und Therapie von EMF-bezogenen Beschwerden sein.

Hintergrund

Viele Menschen sind in unterschiedlichem Ausmaß zunehmend einem "Gemisch" nieder- und hochfrequenter elektrischer (EF), magnetischer (MF) und elektromagnetischer Felder (EMF) unterschiedlicher Signalmuster, sowie Intensitäten und Einwirkzeiten technischer Anwendungen ausgesetzt - umgangssprachlich als Elektrosmog bezeichnet.

Arztinnen und Arzte werden haufig mit unspezifischen Beschwerdebildern ohne klar erkennbare Ursachen konfrontiert (Huss und Roosli 2006). Es besteht der Verdacht, dass Umweltbedingungen wie etwa die zunehmende Exposition der Bevolkerung gegenüber Funkwellen, z.B. von schnur- losen Telefonen, Mobilfunksendern, Handys, GPRS/UMTS/ Datenkarten fur Laptops/Notebooks und Wireless LAN (WLAN) aber auch gegenüber elektrischen und magnetischen Feldern, vor allem rund um den Schlafplatz, die von Leitungen, Geraten und Anlagen ausgehen, daran ursächlich beteiligt ist (Blake Levitt und Lai 2010).

Derzeit wird in Österreich die 4. Mobilfunkgeneration (LTE) sowie "smart metering" "(Strom-Gas- und Wasserzahler) eingefuhrt, daraus ergibt sich eine zusätzliche EMF-Elektrosmog-Belastung der Bevölkerung.

Neue Funktechnologien und Anwendungen wurden eingeführt, ohne die gesundheitlichen Auswirkungen zu kennen. Das bringt für die Medizin neue Herausforderungen mit sich. Beispielsweise war die Frage nach der Bedeutung sogenannter athermischer Wirkung und nach möglichen Langzeit-Wirkungen im Niedrigdosisbereich vor der Einführung kaum untersucht.

Es gibt immer mehr Patienten, die einen Zusammenhang zwischen der EMF-Exposition und ihren Beschwerden vermuten.

Die Empfehlungen der WHO, erstellt durch die International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP 1998) basieren auf dem thermischen Wirkmodell. Diese Empfehlungen wurden von der EU (Ratsempfehlung 1999) und der Vornorm OVE/ONORM E 8850:2006 02 01 (ONORM 2006) übernommen ohne athermische Langzeitwirkungen mit einzubeziehen.

Im August 2007 wurde von einer internationalen Expertengruppe, der "Bioinitiative", ein umfassender Bericht veroffentlicht, der auf Basis der wissenschaftlichen Evidenz Vorsorgemassnahmen bei EMF Expositionen einfordert (Bioinitiative 2007).
Daraufhin wurde von der EU-Umweltagentur Elektrosmog mit anderen Umweltschad- stoffen wie Asbest oder Benzol verglichen (EEA 2007).

Im April 2009 forderte das Europaparlament in einer Entschließung eine Überarbeitung der EMF-Richtwerte der aus dem Jahr 1999 stammenden EU-Ratsempfehlung, die auf die Richtwerte der ICNIRP zurückgeht (EU-Parlament 2009). Die parlamentarische Ver -sammlung des Europarates (Council of Europe,Parliamentary Assembly) hat im Mai 2011 den Bericht "Die möglichen Gefahren elektromagnetischer Felder und ihre Wirkung auf die Umwelt" angenommen (PACE2011). Darin werden eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz des Menschen und der Umwelt insbesondere gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern gefordert.

Eine der Empfehlungen lautet: "take all reasonable measures to reduce exposure to electromagnetic fields, especially to radio frequencies from mobile phones, and particularly the exposure to children and young people who seem to be most at risk from head tumours;"

Ebenfalls im Mai 2011 hat eine Expertengruppe der Internationalen Krebsagentur (IARC), eine Teilorganisation der WHO, hochfrequente elektromagn. Felder als möglicherweise krebserregend für den Menschen (Gruppe 2B) eingestuft (IARC 2011).

Eine 2001 in der Schweiz durchgeführte Umfrage unter 394 Personen, die bestimmte Beschwerden EMF-Expositionen zuordneten, ergab unter anderem folgende Symptomhäufigkeiten: Schlafprobleme (58%), Kopfschmerzen (41%), Nervositat (19%), Müdigkeit (18%) und Konzentrationsprobleme (16%).
Als Ursachen wurden von den Befragten Mobilfunkbasisstationen (74%), Mobiltelefone (36%), Schnurlostelefone (29%) und Hochspannungsleitungen (27%) genannt. Zwei Drittel der Betroffenen hatten Maßnahmen zur Reduktion ihrer Symptome getroffen. Die häufigste Maßnahme war die Expositionsvermeidung. Bemerkenswert war, dass nur 13 % der Befragten ihren Hausarzt / ihre Hausärztin kontaktiert hatten (Roosli et al. 2004).

Die vorliegenden Daten zu Expositionen gegenüber Anwohnern von Mobilfunkbasisstationen ergaben klare Hinweise für adverse gesundheitliche Effekte (Santini 2002, Navarro et al. 2003, Hutter et al. 2006, Abdel-Rassoul et al 2007, Blettner et al. 2008). Aufgrund der wissenschaftlichen Literatur zur Interaktion von EMF mit biologischen Systemen sind mehrere Wirkmechanismen moglich. Ein plausibler Wirkmechanismen auf intra- und interzellularer Ebene ist z.B. jener über die Bildung freier Radikale / oxidativer und nitrosativer Stress (Friedmann et al. 2007, Simko 2007, Pall 2007, Bedard und Krause 2007, Pacher et al. 2007, Desai et al. 2009).

 


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